Zankapfel Pressegesetz
Gestern Donnerstag (29.11.12) um 1330 Uhr war es soweit: Richter Brian Leveson, offiziell Lord Justice Leveson, stellte das Ergebnis seiner fast einjährigen Untersuchung über den Abhörskandal um die News of The World von 2011 vor, samt Empfehlungen für eine bessere Regulierung der Presse. Während man sich im Lande über den Grossteil der im fast 2’ooo Seiten starken Werk enthaltenen Schlussfolgerungen und Vorschläge einig ist, hat jene Empfehlung, die erst auf Seite 1670 eingeleitet wird, bereits einen riesigen politischen Krach ausgelöst, nämlich der Vorschlag, dass ein neues Presse-Überwachungsorgan gesetzlich abgesichert sein soll.
Auf der einen Seite stehen der konservative Premierminister David Cameron und die konservativ/rechtsgerichtete Presse, auf der anderen die oppositionelle Labour-Partei, Cameron“s liberaldemokratische Koalitionspartner, die linke/linksliberale Presse sowie die Opfer von Pressemissbrauch. Dieser Zwist führte am Donnerstagnachmittag dazu, dass Cameron und sein liberaldemokratischer Vize, Nick Clegg, im Unterhaus separate Stellungnahmen zum Bericht abgaben — eine Premiere seit die Koalition vor zweieinhalb Jahren gebildet wurde.
Der Zankapfel ist der: In Grossbritannien gibt es bisher kein einziges Gesetz, das sich auf die Presse bezieht — nicht einmal eines, das die Pressefreiheit garantiert. Eine geschriebene Verfassung gibt es hier nicht — für eine Demokratie eher eine Seltenheit.
Die Befürworter eines Pressegesetztes argumentieren, dass bisherige Modelle der Selbstregulierung immer wieder versagt haben, zuletzt die Press Complaints Commission (PCC), ein Organ, in dem sich Chefredakteure gegenseitig hätten kontrollieren sollen, dies aber — wie Leveson kritisert — nicht genügend getan hätten. Es sei, so der Richter, als hätte man seine eigenen Hausaufgaben benotet.
Die Gegner hingegen meinen, Leveson’s Empfehlung, ein neues, wiederum selbstreguliertes, aber von Zeitungen und Politikern unabhängiges Organ einzusetzen, genüge, ohne den Vorschlag einer gesetzlichen Absicherung anzunehmen. Cameron und seine Anhänger argumentieren so: wenn man ein Gesetz verabschiede, das nur irgendeinen Aspekt der Presseregulierung beinhalte, habe man den Rubikon überschritten, habe man einen gefährichen Weg eingeschlagen und es gebe kein Zurück mehr.
Leveson schlägt lediglich vor, dass die Einsetzung, Funtionsweise und Aufgaben eines neuen Organs gesetzlich festgelegt würden, und keinesfalls eine eigentliche Überwachung der Presse. Er sagt sogar, das Gesetz könnte ausdrücklich die Pressefreiheit garantieren — etwas, das zum Beispiel in der Schweizerischen Bundesverfassung oder dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland festgeschrieben ist.
Cameron und seine Anhänger meinen aber, dass ein Gesetz, wenn es einmal besteht, zukünftig abgeändert werden könnte, zum Beispiel um die Pressefreiheit einzuschränken. Darüber kann man sich tatsächlich Gedanken machen, nur sehe ich diese Gefahr bei einer gesetzlichen Verankerung, so wie sie Leveson vorschlägt, nicht. Der Verdacht liegt nahe, dass sich Cameron die Ünterstützung seiner Freunde in der überwiegend konservativen Britischen Presse nicht verscherzen will. Auf die Einzelheiten, wie die Überwachungsbehörde genau funktioneren würde, will ich hier nicht eingehen. Bleibt nur anzumerken, dass das Überwachungsorgan für die elektronischen Medien, Ofcom, eine gesetzliche Grundlage hat. Nur sind Radio und Fernsehen im Gegensatz zur Presse eben verpflichtet, ausgewogen zu sein. Und diese Freiheit der Presse will Cameron so hochhalten, dass er sie nicht einmal gesetzlich verankert sehen will.
Wenn das Ganze jetzt zu einem politischen Speilball wird, könnten Levesons gemässigte und konstruktive Empfehlungen, welche übrigens nicht bindend sind, auf die lange Bank geschoben werden und verpuffen. Würde das Parlament heute über die Einführung einer gesetzlichen Grundlage abstimmen, würde Cameron wohl verlieren, gegen die Stimmen der Labour-Partei, der Liberaldemokraten und jene von mehr als 40 seiner eigenen Parteifreunde.
Copyright 2012 Peter Miles
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